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Die Hauptstraße

Wir kehren entweder über die Schloßstraße oder von der ehemaligen Knabenschule nach Süden über die Baumanngasse zurück zur Hauptstraße.

Diese ist identisch mit dem von Ost nach West verlaufenden, langgestreckten Marktplatz. Die Hauptstraße fasziniert durch ihr einzigartiges denkmalgeschütztes Ensemble mit Bürgerhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Ausdehnung und Verlauf der einst zwischen dem Bayer- und Schwabtor gespannten Hauptstraße bezeugen die ursprüngliche Bedeutung dieser Achse als Durchgangs-, Handels- und Marktstraße.

Im Spätmittelalter war Rain der Kreuzungspunkt wichtiger Handelsstraßen. Östlich der Stadt verliefen Straßen aus München, Neuburg und Nürnberg. Die nördlichste dieser Verbindungen führte zur Donaubrücke und zur Zollstätte vor Marxheim. Die sich vor dem ehemaligen Bayertor vereinigenden Kreuzungsstraßen durchzogen gemeinsam die Stadt und verließen sie wieder durch das Schwabtor auf der anderen Stadtseite. Die Straße führte weiter über den Lech nach Donauwörth und zur oberen Donau.

Die Position Rains im Bayerischen Erbfolgekrieg von 1504 

Rains politisches Verhalten im Bayerischen Erbfolgekrieg von 1504 brachte der Stadt schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile. Der Stadt wurde das für sie wichtige Privileg der Salzniederlage genommen, weil sie etwas voreilig dem Pfalzgrafen Rupprecht huldigte und nicht seinem Gegner, dem schließlich siegreichen Herzog Albrecht IV. dem Weisen von Bayern. Durch veränderte Landesgrenzen wurde Rain zusätzlich handelspolitisch isoliert. Ab 1505 reichte nämlich bis nahe an die Stadt Rain das neugegründete Fürstentum Pfalz-Neuburg. Mit seinen Zollstationen bei Marxheim und Burgheim sperrte es die Stadt nach Norden und Osten ab. So verloren die Verkehrsstraße an der oberen Donau und damit Stapel-, Umgeld- und Marktrecht für Rain ihren früheren Wert. In dem Maße, wie es wirtschaftlich mit der Stadt bergab ging, stieg ihre – zweifelhafte – Bedeutung als militärisches Bollwerk, als bayerische Grenzfeste.

Die Hauptstraße

Bei einem Gang durch die Hauptstraße von Osten nach Westen werden die architektonisch und historisch bedeutendsten Häuser und Bauwerke sichtbar. Vor der Metzgerei Gastl (Nr. 21), einem 1987 rekonstruierten Wellengiebelhaus, das ursprünglich aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammte, steht der hübsche Marienbrunnen im historisierenden Stil mit neugotischen und neubarocken Zierformen.

Der Brunnen wurde von der Nürnberger Firma Klett in Eisen gegossen und 1863 im Zuge einer neuen Wasserversorgung für die Stadt Rain zunächst vor dem seinerzeitigen Rentamt (Hauptstraße 50) aufgestellt. 1914 musste er dann dem Tilly-Denkmal weichen. Originelle Jugendstilfassaden, angelehnt an barocke Formen, schmücken die Häuser Nr. 20, 22 (Tilly-Apotheke) und 29. Im Vorgängerbau des heutigen Hauses Nr. 32 kam 1843 Johann Pollak zur Welt, der tüchtige klassizistische Bildhauer, Holzschnitzer und Maler. Pollak gelangte in München zu internationalem Ruhm. Er schuf Kunstwerke für Rom, Paris, Brüssel, London, Chicago und Indien. 1917 ist er unverheiratet in München gestorben.

Italienische Handwerker führten 1903 Maurerarbeiten an den Fassaden der drei oben genannten Häuser (Nr. 20, 22 und 29) aus. Beinahe fremdartig im Hauptstraßen-Ensemble mit seinen vielfach hochgiebligen Bauten wirkt das an einen italienischen Renaissance-Palazzo erinnernde Haus Nr. 29 aus dem 19. Jahrhundert. Behäbig-breit ist es mit seinem flachen Walmdach und seiner starken Betonung der horizontalen Linien in die Häuserzeile gestellt.

Gasthaus "Zum Boarn" 

Zu den geschichtsträchtigsten Bürgerhäusern gehört das barocke Gasthaus "Zum Boarn" (Nr. 26). Der frühere "Bayerwirt" unweit des ehemaligen Bayertors war das Pendant zum nicht mehr existierenden "Schwabenwirt" (Nr. 59) in der Nähe des Schwabtors. Schon 1695 ist der "Boarn" als Gastwirtschaft und Brauerei urkundlich gesichert. Gebraut wurde hier noch bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Große Teile der alten Gewölbekeller sind bis heute erhalten. Rains größter Sohn, der romantische Komponist und angesehene Münchener Generalmusikdirektor Franz Lachner (1803–1890), kehrte immer gerne in dieser Gaststätte ein, wenn er seine Geburtsstadt besuchte.

Ehemalige Liebfrauenkapelle 

Vor den Häusern Nr. 36 und 38, in Höhe des 1984 eingeweihten Katholischen Pfarrzentrums St. Johannes der Täufer, stand bis zu ihrem Abbruch im frühen 19. Jahrhundert die Liebfrauenkapelle. Sie wurde im Zug der unseligen Säkularisation abgerissen. In dem gotischen Gotteshaus mit der klangschönen Orgel war um 1800 Anton Lachner, der Vater der großen Musikerbrüder Lachner, als Stadtorganist zum Spiel verpflichtet. Die Liebfrauenkapelle war eine Stiftung des hochbegüterten Rainer Bürgers Nikolaus Hayden aus dem Jahre 1421. Von ihr aus führte ein unterirdischer Gang ins Rathaus. Die Altstadt war überhaupt von einem engmaschigen Netz subterraner Gänge, meist zu Fluchtzwecken in Kriegszeiten, durchzogen.

Geburtshaus von Ernst Kaiser 

Das Haus Nr. 42 ging als Geburtsstätte des romantischen Künstlers Ernst Kaiser (1803–1865) in die Geschichte ein. Kaiser wirkte in München als erfolgreicher Landschaftsmaler. Er hat vor allem oberbayerische und österreichische Gebirgslandschaften festgehalten und bewundernswerte Pflanzen-Zeichenstudien geschaffen, die in der Staatlichen Graphischen Sammlung zu München aufbewahrt werden. Der Kunsthandel bietet seine Bilder heute zu recht hohen Preisen an.

Zu den ältesten Häusern der Hauptstraße gehört die jetzige Landespolizeiinspektion (Nr. 50). Der stattliche, anfangs zweigeschossige Bau stammt aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert wurde das Haus um ein weiteres Stockwerk erhöht. Schmuckstücke dieses Gebäudes sind die vier prächtigen, neubarocken Fenstergitter aus Schmiedeeisen im Erdgeschoss. Das Haus beherbergte von 1830 bis zu seiner Aufhebung am 1. Januar 1929 das Rainer Rentamt, das ab 1919 "Finanzamt" genannt wurde.

Das Landespolizeigebäude wirkt wie eine Kulisse zu dem davor stehenden Tilly-Denkmal. Zusammen mit dem Rathaus und der Stadtapotheke bildet dieses Denkmal ein klassisches Photomotiv.

 

Tilly-Denkmal 

Das Tilly-Denkmal wurde zum Gedenken an den Feldherrn Tilly am Ort seiner entscheidenden militärischen Niederlage mit Genehmigung des bayerischen Innenministeriums von der Marianischen Bürgerkongregation Augsburg auf dem hiesigen Marktplatz aufgestellt und vom Augsburger Bischof Maximilian von Lingg zwei Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Rahmen eines Festes vom 18. bis zum 20. Juli 1914 eingeweiht. Sonderzüge aus allen Himmelsrichtungen brachten damals zahllose Festteilnehmer in die Stadt. Vorsichtigen Schätzungen zufolge sollen es 15 000 gewesen sein.

Die überlebensgroße idealisierte eherne Feldherrngestalt Tillys ist auf einem hohen Sockel aus Jurakalkstein postiert. Der Feldherr wurde am 15. April 1632, während des Dreißigjährigen Krieges, bei der Verteidigung des östlichen Lechufers südlich von Oberpeiching schwer verwundet. Dort kämpfte er mit seinem kaiserlich-katholischen Heer gegen die protestantischen Truppen unter Führung des schwedischen Königs Gustav Adolf und unterlag diesen schließlich. Tilly ist mit einem faltigen Reitermantel, mit wallendem Federhut und spornbewehrten Stulp-Reiterstiefeln sowie mit einem Marschallstab und einer Landkarte Südbayerns in der rechten beziehungsweise linken Hand dargestellt.

Gegossen hat diese Figur der Münchener Metallbildhauer Hygin Kiene nach einem Entwurf und Modell des Münchener Bildhauers Anton Kaindl, dessen Vorfahren im Rainer Stadtteil Wächtering anässig waren. Kaindl wurde bekannt als Schöpfer des Schmied-von-Kochel-Denkmals in Kochel am See und des Monuments für König Ludwig II. von Bayern in Kolbermoor.

Die rechteckige Bronzetafel an der Südwand des Postaments huldigt dem begeisterten Marienverehrer: Tilly verharrt in andächtiger Haltung vor der Altöttinger Gnadenkapelle und der über den Wolken thronenden Himmelskönigin. Das ovale Bronzerelief an der Westseite des Sockels zeigt den Kurfürsten Maximilian I. von Bayern, Tillys Freund und Mitstreiter für die katholisch-kaiserliche Sache. Das länglich-runde Bronzerelief an der Ostwand repräsentiert den letzten bayerischen König Ludwig III., w

Das Rathaus 

In westlicher Nachbarschaft zum Tilly-Denkmal steht das graziöse Rokoko-Rathaus. Zwischen 1759 und 1762 wurde es an Stelle der Neuen Schranne erbaut und ersetzte das spätgotische Rathaus von 1367, das einst frei vor der heutigen Landespolizeiinspektion und dem heutigen Gasthof Lutz (Nr. 50 und 52) stand. Im Erdgeschoss des mittelalterlichen Rathauses gab es eine Brot- und Fleischbank, vier Mietsläden und ein Gefängnis für geringere Vergehen, das sog. "Narrenhäusl". In den oberen Stockwerken befanden sich unter anderem der Ratssaal, der Tanzsaal und die Rüstkammer. Das alte Rathaus wurde im Dreißigjährigen Krieg, im Spanischen und Österreichischen Erbfolgekrieg so stark beschädigt, dass 1749 ein Teil des ruinösen Gebäudes einstürzte. 1750 wurde dann der Rest niedergerissen.

Das neue Rathaus besteht aus drei Gebäudeteilen. Sein Kernbau, der Osttrakt, wendet seine schmucke Rokokofassade mit dem reich gegliederten Ziergiebel dem Marktplatz zu. An dem in ein Giebeltürmchen auslaufenden Mittelrisalit sind im zweiten Obergeschoss das Rainer Stadtwappen und eine Uhr angebracht.

Der jetzige Mittelteil des Rathauses ist unter dem Namen "Altherr-Haus" bekannt. Das Haus gehörte nämlich im 19. Jahrhundert zeitweilig der Wachszieher- und Lebzelterfamilie Altherr. Seit 1880 ist es Eigentum der Stadt. Es gilt als eines der drei repräsentativen, patrizisch anmutenden Frühbarockhäuser der Altstadt. Die beiden anderen Häuser befinden sich in der Hauptstr. 71 und der Spitalgasse 1. Das um 1600 errichtete Altherr-Haus ist ein stattlicher dreigeschossiger Giebelbau mit Bodenerker und Zinnengiebel. Die rundbogige Nische zwischen dem ersten und zweiten Obergeschoss bewahrt eine bemalte Holzskulptur der gekrönten Gottesmutter aus dem 17. Jahrhundert auf.

Im Vorgängerbau des Altherr-Hauses kam der Naturwissenschaftler und Humanist Georg Tannstetter (1482–1535) zur Welt. Humanistischem Brauch gemäß legte er sich einen lateinischen Namen zu: Er nannte sich "Collimitius". Das bedeutet so viel wie "der Rainer" oder "der aus Rain Stammende". Der vielseitige Renaissancegelehrte machte sich in Wien als Mathematiker, Astronom, Astrologe und Mediziner einen Namen. Er brachte es bis zum angesehenen Leibarzt Kaiser Maximilians I. und König Ferdinands I. An die Geburtsstätte des 1535 in Innsbruck verstorbenen Humanisten erinnert seit 1988 am Altherr-Haus eine Gedenktafel mit einem Brustporträtrelief Tannstetters. Der Augsburger Bildhauer Christian Angerbauer schuf es aus Stein. Vorbild war ein Gemälde des Memminger Malers Bernhard Strigel aus dem früheren 16. Jahrhundert, das Eigentum der Fürstlich-Liechtensteinischen Kunstsammlungen in Vaduz ist. Die Inschrift meißelte der Rainer Steinmetzmeister Karl Faig.

Westlich und nördlich vom Altherr-Haus entstand 1985 bis 1987 an Stelle von vier Privathäusern ein historisierender Erweiterungsbau für das Rathaus. Nach Gründung der Verwaltungsgemeinschaft Rain im Jahre 1978, die gegenwärtig für etwa 13 200 Bürger zuständig ist, wurden neue Büroräume benötigt. Im Rathaus sind zudem das Stadtarchiv und die Stadtbücherei untergebracht.