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Bayertor und Schloss

Wir kehren zurück in die Altstadt, entweder über die Münchner Straße, vorbei am Postgebäude aus dem Jahre 1931 beim Rainer "Stachus", oder, was Geschichts- und Naturfreunden zu empfehlen ist, wieder über die Grotte und den Grottenweg in nördlicher Richtung zur Hauptstraße.

Historische Stadtbefestigung: Bayertor 

Hier in der Hauptstraße angekommen, markiert noch eine Straßenverengung die Stelle, an der einst das nach Altbayern hinausführende Bayertor stand. Das Bayertor war als gewaltige Torturmanlage Bestandteil der historischen Stadtbefestigung, die im früheren 15. Jahrhundert unter Herzog Ludwig VII. dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt und – nach französischem Vorbild – um 1620 unter Herzog Maximilian I. von Bayern ausgebaut und erweitert worden war. Knapp anderthalb Meter dick und gut achteinhalb Meter hoch war die Ringmauer. Über die Wehrmauer ragten zwölf verschieden geformte Türme in die Höhe. Nur mehr spärliche Überreste erinnern an die einstige strategische Bedeutung Rains. Im frühen 19. Jahrhundert wurde nämlich der größte Teil der Befestigungsanlagen niedergerissen.

Eine alte Zeichnung lässt erahnen, welch riesiger Komplex beispielsweise das Bayertorbollwerk gewesen ist. Es erstreckte sich östlich vom Gasthof Karrer bis hinaus zur Kreuzung bei der Post. Vom Bayertor führte eine Zugbrücke über den inneren, trockenen Stadtgraben zu einem zweiten Tor und von hier eine Brücke über den äußeren Graben, der in Kriegszeiten unter Wasser gesetzt wurde.

Bayertor-Denkmal 

Die jüngste Hauptstraßensanierung bescherte dem langgestreckten Marktplatz eine Begrünung mit Spitzahornbäumchen und Blumentrögen. Nach deren Abschluss hat man im Sommer 2000 gegenüber dem Gasthof Karrer und vor der heutigen Eisdiele ein zeitgenössisches Kunstobjekt des Augsburgers Christof Rehm aufgestellt. Das Denkmal erinnert an die untergegangene Bayertoranlage und markiert die Linie ihrer stadteinwärts gekehrten Westfassade. Weiter östlich steht in der Grünanlage neben dem Bekleidungshaus der 1977 vom hiesigen Industriellen Max Drossbach gestiftete Bayertorbrunnen, der an der einstigen Ostfassade der Bayertoranlage errichtet wurde.

Christof Rehms Objekt mit dem Edelstahlbogen bildet ein modernes Pendant zum erhaltenen, allerdings rekonstruierten Schwabtor. An dem Kunstobjekt wird zum einen die topographisch-politische und historische Lage Rains zwischen Altbayern und Schwaben deutlich. Zum anderen symbolisiert das Objekt das Gestern und Morgen, die Tradition und den Fortschritt. Der grünende Ginkgobaum im Zentrum fungiert als Mittler zwischen dem groben Granit als Symbol erstarrter Vergangenheit und dem fein polierten Stahl als Zeichen dynamischer Zukunft. Der Ginkgobaum symbolisiert unbändige Lebenskraft und stellt das Heute zwischen grauer Dauer und glänzender Vision dar. In dem Gebilde ist zeitlich visionäre Dramaturgie erlebbar: das Heute zwischen Gestern und Morgen, zwischen Leben und Sterben, zwischen Tod und Ewigkeit.

Tharasgasse 

Parallel zur Schloßstraße verläuft die Tharasgasse. Sie charakterisiert noch immer ihr mittelalterliches Erscheinungsbild als östlicher Schanzweg der einstigen Festung Rain. Hier kann man bis heute die ehemaligen Stadtgräben sehen. In ihnen liegen heute idyllische Privatgärten.

Schloßstraße 

Die Schloßstraße führt vom Gasthof Karrer zum Schloss im Nordosten der Altstadt. Der Schloßstraße, früher Hofgasse geheißen, widerfuhr am 16. September 1649 ein fürchterliches Unglück. Von einem Blitz entzündet, flog einer der drei Rainer Pulvertürme, derjenige an der nahen Tharasgasse, in die Luft. Die Explosion verursachte eine Feuersbrunst, welche sämtliche – insgesamt zwanzig – Häuser der Hofgasse, darunter auch das 1505 gestiftete Paul Stemmersche Benefizium (heute Schloßstr. 5), zerstörte. Heute zeigt es sich uns als Haus mit Schweifgiebel und Bodenerker aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Die Vielzahl der Benefizien in der einst winzigen Stadt wirft ein helles Licht auf die rege und innige Volksfrömmigkeit im spätmittelalterlichen und barocken Rain. Vor 1618 hatte das kleine Städtchen Rain beispielsweise neun Geistliche, die sich von frommen Stiftungen des Bürgertums ernährten. Die Rainer hielten auch in der Reformation im Wesentlichen unbeirrt an ihrem altverwurzelten katholischen Glauben fest. Nur wenige reformatorisch gesinnte Bürger besuchten den lutherischen Gottesdienst im pfalz-neuburgischen Marxheim.

Das Schloss 

Den nördlichen Abschluss der Schloßstraße bildet das spätgotische Wittelsbacher-Schloss. Sicher gehört es nicht zu den großen Kulturgütern Bayerns, aber in seiner städtebaulichen Funktion ist es aus dem nordöstlichen Winkel der Altstadt nicht wegzudenken. Der Charakter des ursprünglichen Wasserschlosses ging verloren, als man 1960 die im Süden und Westen vorgelagerten Wassergräben auffüllte. Nach Norden und Osten war das Schloss durch die Stadtmauer sowie durch die weit vorgeschobene, trutzhafte Schlossbastei gesichert. Der einzige Zugang führte von Süden her über eine Zugbrücke. Die anfängliche Dreiflügelanlage des Schlosses gliederte sich in einen alten und in einen neuen Bau.

Das Alte Schloss entstand als Nachfolgebau der in der Südostecke der Stadt gelegenen ehemaligen Burg. Das damalige Schloss nahm den Ostflügel sowie den östlichen Teil des Südflügels ein. Darin gelegen war auch die Schlosskapelle, deren kostbarstes Ausstattungsstück eine französisch beeinflusste gotische Steinmadonna mit Jesuskind war. Das Alte Schloss stieß im nordöstlichen Winkel der Stadtmauer auf den mächtigen Wartturm, den späteren Hexenturm. An ihn erinnert eine Gedenktafel an der Außenwand der Stadtmauer, die auf dem heutigen Spielplatz des Kindergartens "Am Schloss" zu sehen ist.

Das Neue Schloss entstand ab 1421 unter Herzog Ludwig VII. dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt, zu dessen Teilfürstentum die Grenzfestung Rain damals gehörte. Es bestand aus zwei Baugliedern mit zinnengekrönten Giebeln, die sich westlich an den alten Teil anschlossen. Im linken dieser beiden Trakte befand sich der Große Saal. Nördlich an den linken Trakt waren bis zur Stadtmauer hin Wirtschaftsgebäude und Gesindewohnungen angebaut. Heute präsentiert sich das Schloss nur noch als dreigliedrige Einflügelanlage, deren Inneres sich im Vergleich zur Erbauungszeit wegen seiner unterschiedlichen Nutzung im Lauf der Jahrhunderte völlig verändert hat. Der Westtrakt ist ein hoher Giebelbau mit Erker und Zinnengiebel; der Mittelteil steht quer und besitzt ein rundbogiges Tor. Der ehemalige Ostkomplex, das Alte Schloss also, wurde mitsamt der Kapelle um 1890 wegen Baufälligkeit abgetragen, und – wesentlich verkleinert – in seiner jetzigen Form mit einem Zinnengiebel wiederaufgebaut. Auch der Wirtschafts- und Dienstbotenflügel im Westen besteht nicht mehr.

 

Selten wohnten im Rainer Schloss bayerische Herzöge oder Kurfürsten. Es war lediglich Herberge für die Landesherren und Hofadelige, die sich auf der Durchreise oder Jagd befanden. Das Schloss fungierte während des Mittelalters und der Barockzeit hauptsächlich als Amtssitz der Rainer Pfleger und Pflegsverwalter. Diese besorgten Verwaltung und Rechtsprechung für den Landesherrn. Darüber hinaus fällten sie – etwa zur Zeit des Hexenwahns – diverse Todesurteile. So wurden 1713 im rückwärts gelegenen Schlosshof die der Hexerei bezichtigten Geschwister Pölz aus Etting, die elfjährige Eva und ihre jüngere Schwester Maria, nach qualvoller Folter enthauptet und verbrannt. 

Während des Spanischen Erbfolgekriegs nutzte die österreichische Feindbesatzung das Schloss als Reiterkaserne. Im 18. Jahrhundert und bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts herein war es Amtssitz des Rainer Landrichters. Ab 1880, nach der schon 1862 in Bayern erfolgten Trennung von Verwaltung und Justiz, saß im Schloss der Amtsrichter – und das bis zur Eingliederung des Amtsgerichts Rain in das Amtsgericht Neuburg im Jahre 1932.

Im Dritten Reich traf sich im Schloss der BDM (Bund Deutscher Mädchen). Nach 1945 lebten in dem Gebäude vorübergehend heimatvertriebene und andere Familien. Im Schloss waren von der Nachkriegszeit bis in die frühen siebziger Jahre Knaben- und Mädchenschulklassen untergebracht. Die Staatliche Realschule Rain nahm hier ihren Anfang. Heute beherbergt das Schloss verschiedene Vereine. 2008 erfolgte eine aufwändige Außenrenovierung, die das Gebäude wieder in seinem alten Glanz herstellte.

Das Schloss und seine nächste Umgebung fungierten vom frühen 19. Jahrhundert bis zu Beginn der 1970er Jahre als Rainer "Schulzentrum". 1807, fünf Jahre nach Einführung der Schulpflicht in Bayern, entstand westlich vom Schloss, unmittelbar an der Stadtmauer ein neues Schulhaus (Schulgasse 15). Im Erdgeschoss wohnte der Stadtschullehrer; die Mansardenwohnung im Dachgeschoss war für den Schulgehilfen bestimmt. Im ersten Obergeschoss lag der einzige Schulraum, in dem mindestens 100, manchmal sogar 150 bis 200 Kinder unterrichtet wurden. Bei derartigen Missständen war es kein Luxus, dass 1834 vor das alte Schulhaus ein Neubau gestellt wurde. Das neue Gebäude (Schulgasse 17) war 16 Jahre gemeinsame Schule der Rainer Jugend und ab 1850 die eigenständige Knabenvolksschule mit je einem Schulraum im Parterre und im Obergeschoss. Für einen dritten Schulsaal wurde 1909 ein weiteres Stockwerk errichtet. Das bisherige Schulhaus war fortan Lehrerwohnhaus. Bei einem Brand am 16. Oktober 2001 wurde dieses Gebäude von 1807 so schwer beschädigt, dass es abgebrochen werden musste. Die Stadt veräußerte dann an örtliche Investoren das abgebrannte Gebäude und die ehemalige Knabenvolksschule, die seit 1973 als Vereinsheim genutzt war. Der Ersatzneubau, 2006/2007 errichtet, und das zeitgleich renovierte Knabenschulhaus dienen seit Juli 2007 als Büroräume eines aufstrebenden örtlichen Unternehmens der Informationstechnologie.

1846/47 entstand südöstlich vor dem Schloss auf dem ehemaligen Anwesen des Webermeisters Trinkgeld die Mädchenvolksschule (Schloßstraße 14) samt Kloster und Hauskapelle für die Armen Schulschwestern, die bis zur Verlegung der Rainer Volksschulen an die Peripherie in den frühen 1970-er Jahren als Lehrerinnen hier wirkten. Zugleich betreuten sie Vorschulkinder in dem 1878 als "Kinderbewahranstalt" angebauten Nordflügel. Nach dem Auszug von Mädchenschule und Frauenkonvent wurde das Gebäude 1977/78 renoviert und umgebaut und dient heute ausschließlich als Altstadtkindergarten (Kindergarten "Am Schloss"). Durch die weitere Sanierung mit Dachgeschoss-Ausbau, abgeschlossen im November 2001, wurde der Kindergarten von vier auf fünf Gruppen vergrößert.

 

Wir machen noch einen Abstecher zum Modlmayerschen Benefizium (Schulgasse 11), einer Stiftung des Rainer Bierbrauers Marcellus Modlmayer aus dem Jahre 1698. Dieses jüngste aller Rainer Benefizien ist ein barocker Schweifgiebelbau mit Schwalbenschwanzaufsatz. Bis 1986 diente das Haus als Chorregentenwohnung; heute befindet es sich in Privatbesitz.