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Die katholische Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer

Fotofreunden sei die Perspektive vom Haus Kirchplatz Nr. 11 nach Osten empfohlen, mit dem geschlossenen Ensemble des südlichen Kirchplatzes und der Allerheiligenkapelle als Blickfang.

An die Westfront der katholischen Stadtpfarrkirche lehnt sich das schlichte Kriegerdenkmal aus den frühen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg an. In der Nische ist ein müder, abgekämpfter Soldat in niedergesunkener Haltung zu erkennen, der das abgebrochene Schwert in der rechten Hand hält.

Die Nordseite des Kirchplatzes mutet heutzutage städtebaulich merkwürdig kühl, ja leer an. Das war nicht immer so. Von 1369 bis 1784 stand hier außerhalb der Kirchhofsmauer und damit in einem Teil des jetzigen Pfarrgartens das "Nonnenhaus", welches dem Zisterzienserinnenstift Niederschönenfeld gehörte. Hierher flüchteten sich die Klosterfrauen in Kriegszeiten, weshalb es auch das "Zufluchtshaus" genannt wurde. 1784 wurde der altersschwache Bau abgetragen.

St. Johannes der Täufer. Sie ist Rains größter und bedeutendster Sakralbau, entstanden – wie die meisten anderen Rainer Gotteshäuser auch – im späten Mittelalter, in der wirtschaftlichen Hochblüte der Stadt, welche unabdingbare materielle Voraussetzung für die Pflege von Kunst und Kultur gewesen ist. Der 66 Meter hohe Turm der Pfarrkirche mit seiner neugotischen Spitze – anstatt der früheren Renaissancehaube – ist weithin in der flachen Landschaft zu sehen. Der spätgotische Bau wurde mit Material aus dem Jurasteinbruch bei Marxheim errichtet und dürfte sich in mehreren Etappen über das 14. und 15. Jahrhundert hin erstreckt haben. Der letzte, entscheidende Bauabschnitt, von 1447 bis zur Fertigstellung 1480, stand unter dem Einfluss der Bauarbeiten an der Stadtpfarrkirche zu Donauwörth.

Die Rainer Pfarrkirche präsentiert sich heute als gotische Pseudobasilika oder Staffelkirche mit einer Länge von 45 und einer Breite von 20 Metern. Vier achteckige Säulenpaare gliedern den Innenraum in ein Mittelschiff und zwei niedrigere Seitenschiffe. Chor und Seitenschiffe schmücken ein schlichtes Kreuzrippengewölbe; von ihnen hebt sich das Mittelschiff des Langhauses durch üppigeres Netzrippengewölbe ab.

Im Lauf ihrer langen Geschichte wechselte die Pfarrkirche immer wieder ihre Innenausstattung entsprechend dem sich wandelnden Kunstgeschmack. Sicher, die Altäre, Kanzel, Beichtstühle und Fenster im neugotischen Stil waren nicht der künstlerischen Weisheit letzter Schluss; doch ihre Entfernung kurz nach 1970 – und ihre Zerstreuung in alle Winde – zerstörte die Einheit und Harmonie des Kirchenraums.

Ironie der Geschichte: Die Bürokratie, die damals die Neugotik als "kitschig" verurteilte, wertete wenige Jahre später die Neugotik zur erhaltens- und schützenswerten Kunstepoche auf und begann mit dem Sammeln neugotischer Plastik! Der "Bildersturm" der frühen 1970er Jahre prägte den vorher festlich-freudigen Innenraum der Pfarrkirche um in ein asketisches Gotteshaus von fast calvinistischer Nüchternheit und Strenge, ja Härte.

Die Renovierung von 1994/95 hat gemildert, geglättet und freundlicher gestaltet. Der Innenraum wurde belebt durch ein paar Heiligenfiguren sowie durch einen fünfteiligen Zyklus "St. Johannes der Täufer", den Ruth Borisch (Graisbach) in verschiedenen Textiltechniken in der Kunstsprache des ausgehenden 20. Jahrhunderts für die Brüstung der Westempore geschaffen hat, sowie durch eine phantasievolle Komposition von "Reliquien" der nach 1970 unsachgemäß ausgebrochenen neugotischen Farbglasfenster, welche jetzt die nördliche Turminnenwand rechts vom Volksaltar ziert.

Heute bietet die Pfarrkirche eine bunte Mischung religiöser Kunstschätze aus Gotik, Barock, Historismus und Moderne. Zum Wertvollsten gehören zweifellos die teilweise erst zwischen 1970 und 1974 freigelegten spätgotischen Wand- und Gewölbefresken samt den stilisierten Pflanzen- und Blumenformen. Im Chor treiben allegorische Fabelgestalten ihr Unwesen als Sinnbilder für die Gefahren des Bösen, des Teuflischen in der Welt. Einen Kontrast dazu bilden fromme Motive: das Manna- und das Wasserwunder aus dem Alten Testament sowie die zwölf Apostelkreuze. Eindrucksvoll sind zudem die – nicht vollständig erhaltene – Kreuzigungsgruppe an der Ostwand des linken Seitenschiffs, das gleichfalls nur fragmentarisch überlieferte Jüngste Gericht über dem Nordportal, die Szene "Jesus treibt die Wechsler aus dem Tempel" an der Westwand des südlichen Seitenschiffs, die ironische Darstellung eines Kircheninnern mit schwatzenden Personen und Nonnen nebst Kavalieren, bedrängt von höllischen Gestalten (an der Westwand des nördlichen Seitenschiffs) sowie der riesenhafte hl. Christophorus und die ziemlich seltene Darstellung der hl. Kümmernis über dem Südausgang.

An die Gotik erinnern überdies spätmittelalterliche Epitaphien, etwa das für den Rainer Stadtpfarrer Dr. Andreas Weiß (+ 1507) rechts vom Nordausgang und das Kruzifix über dem Volksaltar, eine Leihgabe der Katholischen Filialkirchenstiftung Unterpeiching.

Die barocke Kunstepoche ist vertreten durch Grabsteine, Kommunionbank, Chorgestühl, Ewig-Licht-Ampel, Taufstein, Stuhlwangen, das ehemalige Hochaltarbild "Johannes tauft Christus am Jordan" von den Münchener Barockmalern Johann Michael Kaufmann und Johann Georg Hörmann – im südlichen Seitenschiff – sowie durch einen gekreuzigten Christus und eine Pietà, letztere flankiert von zwei leuchtertragenden Engeln, in der Nische des nördlichen Seitenschiffs. Pietà und Engel standen bis 1970 auf dem einst sehr beliebten Gruftaltar im Turmuntergeschoss rechts vom Volksaltar, an dem immer am 13. Tag des Monats, am Fatimatag, die Messe zelebriert wurde.

Zur modernen Ausstattung gehören die etwas unruhigen Farbglasfenster im Chor, von denen die drei im Ostabschluss Bezug nehmen auf den Kirchenpatron St. Johannes den Täufer. Den einstigen Platz des neugotischen Hochaltars besetzt heute die barockisierende Orgel, ein Werk der Firma Sandtner aus Steinheim bei Dillingen aus dem Jahre 1977. Anstelle eines Hochaltars die "Königin der Instrumente" aufzustellen ist nicht katholisch-bayerische Überlieferung, sondern lutherische Tradition in Mittel- und Norddeutschland.

Beachtenswert ist in der Stadtpfarrkirche der neue Kreuzweg, den 2003 der Bildhauer Wolfgang Klein und der Maler Theo Krötzinger, beide aus Ellzee südlich von Ichenhausen, geschaffen haben. Sie hatten von der Pfarrei die Auflage erhalten, dass jede Station auf Anhieb erkennbar sein müsse; sie dürfe dennoch den einen oder anderen religiös-geistigen Gehalt in sich bergen, der sich dem Beschauer erst bei genauerer Betrachtung erschließt; außerdem sollte der Maler nur Farben verwenden, die sich in der Kirche bereits vorfinden. Die Intention von Klein war, Jesus als Lichtgestalt darzustellen, über der Welt erhaben, aber begleitet von Dunkelheiten und umgeben von allerlei höchst irdischen Lebenssituationen. Der Kreuzweg fand von Anfang an durchwegs eine positive Resonanz. Mit dem modernen Kreuzweg wurde eine besonderer, reizvoller Akzent gesetzt.